AUTORENGRUPPE OHRENHÖHE
Schreibwerkstatt und szenische Lesungen

Jakob Näf
Jahrgang 1969
Lebt in Goldach.
Gelernter Landwirt, jetzt Kindergärtner,
Autor, Auftritte als Komiker.
Verheiratet, drei Kinder.
Mitglied bei der Ohrenhöhe 2001 - 2011.
Ab 2011 gelegentliche Mitwirkung bei Auftritten.
Verschiedene Veröffentlichungen in Zeitschriften und Zeitungen.
Eigene Lesungen und Kleinkunst-
programme.
Ein Auto schaut zurück
Habe so ein leichtes Ziehen in der Leiste, hoffentlich kein Zierleistenbruch. Jetzt, da ich eben erst die Windschutzscheibenpocken überstanden habe. Ja, die Beschwerden häufen sich, wenn man so langsam in die Ölwechseljahre kommt.
Früher war ich immer gesund, ausser den üblichen Kinderkrankheiten Rösteln und Maserati.
Das waren noch Zeiten, als ich noch in die Fahrschule ging, da hatte ich noch meine Milchpneus. Im Turnen hatte ich Angst vor dem Schleudern, dafür war ich gut im Blinken!
Ich bekam auch früh meine Airbags und gab dann so richtig Gas. Ich ging oft ins Autokino und probierte alles aus: Bier, Wein, Super, Bleifrei, Diesel on the rocks, bis die Sicherungen rausflogen. Ich konnte fast nicht mehr bremsen, ich musste etwas herunterkommen. Zum Glück hatte ich einen guten Kühler, oder ich parkte in der Tiefkühlgarage. In dieser Zeit waren alle meine Türen offen für Neues und ich ließ mich oft abschleppen.
Dann passierte etwas sehr Schlimmes, meine Mutter starb. Sie war zu lange an einem Ort parkiert gewesen und bekam deshalb Parkinson.
Ich besuchte sie oft auf dem Autofriedhof.
Ich entschied mich, mein Leben zu ändern. Ich besuchte die Fahrschulen, erzählte aus meinem Leben und sagte den Jungen, sie sollten nicht zuviel Gas geben.
Und jetzt bin ich älter geworden, habe zu hohen Öldruck, friere oft, da meine Heizung defekt ist, muss darum auch regelmäßig Schüttelfrostschutzmittel zu mir nehmen. Und letzte Woche sagte jemand Oldtimer zu mir. Das tut schon weh!
Darum habe ich mich entschlossen, nächste Woche in eine Garage im Vorarlberg zu gehen und Wellnessferien zu machen. Da lasse ich es mir gut gehen. Eine angenehme Unterbodenwäsche, eine Pneu-Pedicure und eine Kotflügel-Akkupressur mit Gurken auf den Scheinwerfern, so dass ich mich wieder fühle wie gedieselt am 4.Fiat!
Aus dem Programm "Gedieselt am 4. Fiat"
Nicht mit mir!
Als ich kürzlich meinen Nachbarn im Treppenhaus traf, schaute der mich so komisch von der Seite an und schloss seine Wohnungstür extra laut zu. Nicht mit mir, dachte ich, das lasse ich mir nicht bieten. Sofort ging ich in meine Wohnung, die einen Stock höher liegt, und schob alle Möbel von einer Ecke in die andere, so dass es laut quietschte und knarrte, dazu stampfte ich mit meinen Bergschuhen. Doch der Nachbar provozierte mich erneut, dieser Tubel, indem er hörbar telefonierte. Ich holte nun die grossen Boxen hervor, legte sie auf den Boden und spielte „Satisfaction“ von den Stones, mit etwa 150 Dezibel 20 Minuten lang. Dann war Ruhe, endlich hatte er es begriffen. Doch nach fünf Minuten wagte er es, auf die Toilette zu gehen und provokativ zweimal nacheinander zu spülen, dieser Schafseckel! Ich riss sofort die Schubladen meiner Wohnwand heraus, warf das Silberbesteck auf den Boden. Hob den kleinen Fernsehtisch empor, warf ihn auf den Boden. Dann zog ich den Pamir an, startete meine Motorsäge und gab tüchtig Gas. Von den Abgasen war mir etwas schlecht geworden, doch dafür war es ruhig unten. Ich glaubte schon, dass die Gerechtigkeit gesiegt hatte, da hörte ich von unten ein Duschgeräusch, dazu der Nachbar, das huere Arschloch, der „Oh Sole Mio“ sang. Nun, das war doch der Gipfel!
Ich zündete das Feuerwerk, das eigentlich für den 50. Geburtstag meiner Frau vorgesehen gewesen war, auf dem Balkon. Am Ende eine Knallpedarde. Eine halbe Stunde später war die Polizei bei mir in der Wohnung, da es wegen des Feuerwerks etliche kleine Brände gegeben hatte in der Stadt. Nachdem ich die Busse bezahlt hatte, legte ich mich sofort auf den Boden und horchte. Absolute Stille.
Ja, es geht doch. Es geht doch! Dass gewisse Leute es einfach nur so begreifen, was Respekt und Anstand ist. Doch nur so lernen sie es. Wie mein Nachbar, der dumme Siech. Zufrieden steckte ich mir eine Zigarette an. Immer noch war es ruhig. Man muss es Ihnen beibringen, wie sich ein anständiger Bürger zu verhalten hat. Diesem Tubel von unten.
Aus dem Programm "Mach mich nicht wohnsinnig!"